Für viele von uns ist der Begriff „Corona“ zu einem regelrechten Reizwort geworden – wir können weder die Maßnahmen noch die Statistiken und Berichte darüber mehr lesen – es macht uns müde und genervt. Doch wie wir damit umgehen entscheidet jeder individuell in seinem ganz persönlichen Krisenmanagement.
Im betrieblichen Krisenmanagement wird üblicherweise eine Bestandsaufnahme gemacht – welche Prozesse, Personen, Ressourcen und Systeme sind relevant und wie schnell muss was wieder zum Laufen gebracht werden, um möglichst wenig Schaden (materiell und immateriell) zu erleiden. Man schätzt das Risiko ein und handelt danach – welches Risiko ist man bereit zu welchem Preis zu tragen. Auf dieser Analyse fußen der Notfallplan und auch die Vorsorgemaßnahmen.
Idealerweise ist man also gut vorbereitet muss dann nur noch das Ausmaß und die Maßnahmen dem Geschehen anpassen. Soweit die Theorie.
Auf den Einzelnen im Privaten übertragen sind mögliche relevante Fragen:
- Was ist wirklich wichtig für mich, meine Familie und diejenigen, um die ich mich kümmern möchte?
- Was brauche ich und wie kann ich dies sicherstellen?
Es sind die Grundbedürfnisse, die in erster Linie abgedeckt sein sollen – Gesundheit, Essen, Trinken, Schlafen, eine sichere, warme Wohnung und ein ausreichendes Einkommen. Wenn wir das haben, ist schon die Basis erfüllt.
Was um uns herum aktuell passiert erscheint nicht auf einem so geordneten Plan zu basieren.
Im normalen Alltag brauchen viele von uns Struktur, Klarheit und Routinen, einen Rahmen, der uns Sicherheit gibt. Aktuell erleben viele von uns aber Unsicherheit, Ängste und das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren – und das sowohl individuell wie auch als Gesellschaft. Diese Unsicherheit begegne ich in meiner Rolle als Coach bei meinen Klienten aber auch in Gesprächen mit Freunden.
Jeder Mensch reagiert ganz individuell in solchen Situationen:
- Einige erstarren und beobachten, unfähig irgendwas zu tun.
- Andere wiederum leugnen und gehen in den Widerstand – aus Selbstschutz oder zur Abwehr.
- Einige aber werden aktiv und nutzen den Stillstand um sich herum um kreativ zu sein und sich persönlich oder auch beruflich neu auszurichten.
Vielen Reaktionen zugrunde liegt dabei das Gefühl gestresst zu sein. In einer Studie der „Swisslife“ aus dem Jahr 2020 gaben 80% der Deutschen an, gestresst zu sein. Besonders betroffen waren Berufstätige in Gesundheits- und Pflegeberufen, in denen 91% angaben, sich gestresst zu fühlen.[1]
Wie wir uns verhalten und wie wir uns fühlen, basiert oft auf persönlichen Mustern – aus unseren persönlichen Erfahrungen und dem, was unsere Familien erlebt haben. Die Entscheidung, wie wir mit Krisen umgehen, trifft jeder von uns individuell. Das bedeutet aber auch, dass jeder die Kontrolle über seine Sicht der Dinge und seine Haltung hat.
Wahrnehmung, Gedanken, Gefühle und Verhalten bedingen einander und bestätigen uns in dem, wie wir die Welt sehen und auch sehen wollen. Erleben tun dies beispielsweise Frischverliebte. Schmetterlinge im Bauch, Neugier und Hochgefühl lassen sie vieles heller, wärmer und bunter wahrnehmen – eine Leichtigkeit, die wir genießen und nicht mehr verlieren möchten.
Gerade in der aktuellen und inzwischen lange anhaltende Pandemiesituation mit ihren Einschränkungen und Auswirkungen sehe ich Handlungsbedarf:
Martin hat durch Corona seinen Job verloren, weiß nicht wie es weiter geht, ist hoffnungslos und hadert mit Allem – seiner persönlichen Situation und auch seinem Umfeld. Er reagiert mit Resignation, Rückzug und Passivität. In seinen Gefühlen spiegelt sich dies mit Traurigkeit und negativen Gedanken.
Martina geht es genauso – auch sie wurde Corona bedingt arbeitslos. Sie verliert aber auch jetzt ihren Optimismus und Ihre Zuversicht nicht. Den Stillstand um uns herum nutzt sie, sich neu zu orientieren und sich auch beruflich neu zu finden – in einem Job, der sie mehr erfüllt und doch ihre Bedürfnisse deckt. Sie begegnet allem Neuen mit Neugier, Kreativität und Hoffnung. Diese Zuversicht strahlt sie aus, auch wenn vieles für sie nicht nachvollziehbar ist. Die Unsicherheit nimmt sie wahr, gibt ihr aber nicht die Kontrolle über ihr Leben – die behält sie.
Zwei gegensätzlich Herangehensweisen, hier zwar konstruiert, aber doch realistisch. Viele kennen einen solchen „Martin“ oder eine „Martina“, die in derselben Situation einen völlig anderen Umgang und eine unterschiedliche Haltung dazu haben.
Je mehr wir erlebt haben, umso mehr Erfahrung haben wir im Umgang mit Krisen – jede Krise bietet gleichzeitig auch eine Chance. Nämlich die, etwas daraus zu machen und zu lernen.
Und, es sind nicht die Situationen und die Ereignisse, die dafür verantwortlich sind, dass es dem Einzelnen schlecht geht, sondern es ist die Art und Weise, wie er damit umgeht.
Ereignisse und erlebte Situationen hinterlassen Spuren in jedem Leben – teils sehr schöne, emotionsreiche und verbindende Erinnerungen, aber auch Erlebnisse, die wir am liebsten ungeschehen machen möchten. Wir können Dinge, die in der Vergangenheit liegen nicht ändern. Aber wir können unsere Sichtweise darauf hinterfragen und unsere Gefühle und Wahrnehmung dazu verändern.
Möglich wird dies mit den Techniken aus der Systemik und dem NLP (Neuro Linguistisches Programmieren). Richard Bandler und John Grinder gelten als Gründer des NLP. Sie gingen davon aus, dass es bei anerkannten Therapeuten der Gestalttherapie, Familientherapie und der modernen Hypnosetherapie Gemeinsamkeiten in der Kommunikation gibt, die essenziell sind für eine effektive und tiefgreifende Veränderung. Daraus haben sie diverse Techniken kreiert, die äußerst effektiv nachhaltige Veränderungen in der eigenen Wahrnehmung und dem Umgang mit Herausforderungen bewirken können.
Resultierend aus meiner jahrelangen Erfahrung, Menschen in Veränderungsprozessen zu begleiten, möchte ich Sie ermutigen, Ihre Haltung und Sichtweisen zu hinterfragen. Zu hinterfragen mit dem Ziel, das aktuelle Erleben der Krise neu zu bewerten.
Und wie sagte einst Karl Valentin: „Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.“
In diesem Sinne wäre jetzt der Zeitpunkt, sich für neue Wege und einen neuen Umgang mit der Krise zu entscheiden.
[1] „Quelle: https://www.swisslife.de/ueber-swiss-life/presse/pressemitteilungen/newsfeed/2020/11-18.html“